Actien-Gesellschaft „Weser“

AG "Weser", Bremen, Interim-Schein über 5 Actien à 200 Thaler, Gründeraktie von 1872, vormals eine der größten Werften Europas, während des 2. Weltkrieges eine der größten deutschen Waffenschmieden. 1983 im “Bremer Werftenverbund” des berühmt-berüchtigten "Bremer Vulkan" aufgegangen.

Interim-Schein über 5 Actien à 200 Thaler, Nr. 1136-1140
Bremen, 15.6.1872

Schätzpreis: 15.000,00 EUR

Gründeraktie (R 11).

Johann Carsten Hinrich Waltjen (1814-1880) war der Sohn eines Tabakfabrikanten. Nachdem er eine Maurerlehre absolvierte versuchte er sich in der Maschinenindustrie und arbeitete zeitlang in England. 1841 kam er nach Bremen zurück, wo er 1842/43 mit seinem Freund Heinrich Leonhardt die Maschinenbau- und Eisengießereifirma Waltjen & Leonhardt gründete.

Die Firma baute Dampfheizungen, Stahlbrücken, eiserne Schwimmtore für die Schleuse des Hafens in Bremerhaven. Nach dem Ausscheiden von Heinrich Leonhardt, der keinen Schiffbau betreiben wollte, wurde das Unternehmen 1848 in die Aktiengesellschaft C. Waltjen & Co. umgewandelt. Jetzt wurden auch Eisenschiffe gebaut, darunter der Passagierdampfer „Roland“ und seit 1871 Schiffe für die Kaiserliche Marine.

1872 erfolgte die Gründung der Actien-Gesellschaft „Weser“ durch achtzehn Bremer Kaufleute und Unternehmer aus Bremen, wobei Carsten Waltjen Mitglied im Aufsichtsrat der neuen AG wurde. Zum leitenden Direktor wurde Wilhelm Overbeck ernannt, der bereits unter Carsten Waltjen technischer Vorstand war.

Der erste Großauftrag kam von der Kaiserlichen Marine, für die bis 1884 29 Kanonenboote gebaut wurden, was den Einstieg der AG „Weser“ in den militärischen Schiffbau markierte. 1901-05 wegen mangelnder Erweiterungsmöglichkeiten Neubau der Werft in Gröpelingen. Ab 1912 unterhielt die Gesellschaft ein Konstruktionsbüro für U-Boote. Nach dem 1. Weltkrieg übernahm im August 1919 der bedeutende Bremer Bankier J. F. Schröder den Vorsitz des Aufsichtsrates.

1926 Übernahme des Hamburger Werkes der Vulcan-Werke und der Joh. C. Tecklenborg AG in Wesermünde. Im gleichen Jahr schloss sich die AG „Weser“ auf Betreiben des Bankiers Schröder mit sieben anderen Werften zur Deutschen Schiff- und Maschinenbau Aktiengesellschaft (Deschimag) zusammen.

1928 Übernahme der Aktienmehrheit der Schiffswerften AG Neptun in Rostock und Nüscke & Co. AG in Stettin, außerdem Fusion mit der G. Seebeck AG in Wesermünde. Die Lokomotiv-Bauabteilung des Stettiner Vulcan-Werkes wurde im gleichen Jahr an die A. Borsig GmbH, Berlin-Tegel verkauft. 1929 Lieferung des prestigeträchtigen Schnelldampfers “BREMEN”.

1934 Gründung der “Weser” Flugzeugbau-GmbH. 1935 Kauf der Frerichswerft in Einswarden. 1936 nach dem Bau des Artillerie-Schulschiffes Brummer für die Kriegsmarine folgten Großaufträge. Hauptsächlich wurden Zerstörer und Unterseeboote gebaut.

Bis Ende 1939 lieferte die Deschimag-Stammwerft AG Weser 10 Zerstörer aus. Der Großteil der U-Boote in Deutschland, die bis 1945 gebaut wurden, kamen von der AG „Weser“ (und zwar 291).

1945 Demontage der Bremer Werft zugunsten der UdSSR, auf der Seebeck-Werft in Bremerhaven Weiterführung des Betriebes, zugleich wieder Annahme des alten Namens AG „Weser“. Bald wieder die größte Werft im Weser-Ems-Gebiet, letzter Großaktionär war mit 86 % die Fried. Krupp GmbH.

1983 im “Bremer Werftenverbund” des berühmt-berüchtigten „Bremer Vulkan“ aufgegangen.


Gedruckte Unterschrifen von A.G. Mosle (Mitbegründer der AG Weser) und von Wilhelm Overbeck als leitender Direktor. Der Inhaber der Aktie hat 400 Thaler im Juni 1872 eingezahlt, weitere 100 Thaler zahlte er am 12.12.1873. Der noch ausstehende Betrag in Höhe von 500 Thaler wurde nicht mehr eingezahlt, was vermutlich erklärt, warum diese Interimsaktie bis heute überlebte: wegen Nichtzahlung wurde sie nicht in ein endgültiges Aktienzertifikat umgetauscht.

Doppelblatt. Erhaltungszustand: F+: Vorderseitig angeschmutzt, inwendig stockfleckig (eine sachverständige Reinigung wird empfohlen).

Bislang nicht katalogisiertes Einzelstück aus Nachlaß einer der vormals größten Werften Europas, während des 2. Weltkrieges eine der größten deutschen Waffenschmieden.

Nach den mir aktuell vorliegenden Informationen existiert neben dem in meiner Auktion angebotenen Gründerstück noch ein weiteres Exemplar, aufbewahrt im Staatsarchiv Bremen.

Das älteste bisher im Sammlermarkt bekannte historische Wertpapier der AG „Weser“ war eine nicht ausgegeben Aktie über 120 RM aus dem Jahr 1925.

Die in der Auktion am 23. April 2018 angebotene Gründeraktie der AG „Weser“ gehört zweifellos zu den wichtigsten deutschen maritimen Wertpapieren überhaupt.

Museale Rarität.